René Ebert im Gespräch mit Kerstin Zubke und Steffen David- den Sprecher*innen des neuesten SIBB-Forums: Energy; Networks; Utilities & Resilience
Kerstin Zubke (SHD System-Haus-Dresden) und Steffen David (IPB Internet Provider in Berlin) sind die neuen Sprecher*innen des SIBB Forums Energy; Networks; Utilities & Resilience. SiBB Geschäftsführer René Ebert sprach mit ihnen über Versorgungsengpässe, Energie- und Stoffströme und darüber, wie sich Unternehmen in Krisenzeiten besser wappnen können.
René Ebert: Wir freuen uns sehr, dass Sie in Zukunft eine ganz aktive Rolle beim SIBB einnehmen. Was hat Sie denn dazu motiviert, das neue SIBB-Forum „Energy; Networks; Utilities & Resilience“, welches nun am 19. Januar unter anderem im Beisein des Berliner Wirtschaftssenators eröffnet wird, mit aufzusetzen und sich langfristig als Sprecher*innen dieses SIBB Forums „Energy; Networks; Utilities & Resilience“ zu engagieren?
Frau Zubke: Wir vom SHD-System-Haus Dresden sind bereits seit vielen Jahren Mitglied beim SIBB. Der Digitalverband ist in Berlin und Brandenburg etabliert und den Vorstand und die Mitglieder haben wir als innovativ, engagiert und hartnäckig erlebt. Das ist für uns ein wichtiger Mehrwert, vor allem wenn man bedenkt, dass sich die Metropolregion hohe Ziele gesetzt hat. Sie möchte Smart-City und Start-up-Hochburg werden. Doch schon ein Unfall mit einem Bagger reicht aus, um Leitungen zu kappen und Rechenzentren zu beeinträchtigen. In einem Dorf sind möglicherweise 30.000 Haushalte betroffen. Im Großraum Berlins können die Schäden schnell in Millionenhöhe steigen. Und ich weiß, dass das besser funktionieren kann. Als SHD sind wir in den letzten 20 Jahren zu einem bedeutenden Dienstleister und Hersteller für System-Monitoring, Automatisierung, Cyber-Security und digitale Transformation geworden. Ich sehe uns daher in der Verantwortung, etwas zu unternehmen – und als Sprecherin eines SIBB Forums kann ich zusätzlich die Reichweite und das Netzwerk des SIBB nutzen, um mehr zu bewegen.
Herr David: Als Forensprecher und Vorstandsmitglied des SIBB habe ich die Chance, einen Überblick über die Themen zu erhalten, welche die SIBB Mitglieder berühren. Das ist heute wichtiger denn je, denn wir erleben eine Zeit, in der eine Krise die nächste überlagert: Eine Pandemie hält die Welt in Atem und ein Krieg tobt in unmittelbarer Nähe. Was noch vor wenigen Jahren Romanstoff gewesen sein könnte, ist heute eine ernsthafte Herausforderung, u. a. für die digitale Welt. Wer schreibt heute meinen Code? Viele SIBB-Mitglieder haben zunehmend mit den aufstrebenden, osteuropäischen Ländern zusammengearbeitet, insbesondere mit der Ukraine. Unternehmen müssen daher umdenken und sich für Krisen besser wappnen. Das ist meine Motivation. Ich möchte die SIBB-Mitglieder mitnehmen: auf eine Reise zu mehr Resilienz. Und in der Rolle des Forensprechers kann ich in meinem Handeln redundant sein, also mich sowohl beruflich als auch über den Verband engagieren.
René Ebert: Was genau versteht man eigentlich aus Ihrer Sicht unter Energie- und Stoffkreisläufen? Wie würden Sie es einem Laien erklären?
Frau Zubke: Ich würde es gern am Ökosystem Stadt erklären, in dem Energie- und Stoffkreisläufe sensible Themen sind, weil gerade in diesen Ballungsräumen ein Ungleichgewicht zu irreparablen Schäden führen kann. Bei Energie- und Stoffkreisläufen geht es in erster Linie darum, ein Gleichgewicht zwischen Zu- und Abfuhr zu schaffen.
Herr David: Die Stadt ist in der Tat ein sehr interessantes Feld, auch für den SIBB, der schwerpunktmäßig Mitglieder in Berlin und Brandenburg hat. Hier wird investiert. Hier entsteht digitale Infrastruktur – und die Menschen vor Ort benötigen Energie. Ein Problem, das ich diesbezüglich sehe, ist, dass die Energie, die in eine Stadt hineinfließt, zu 99 Prozent keiner zweiten Nutzung zugeführt wird. Hier sehe ich ein großes Potential. Beispielsweise können wir Abwärme nutzen, sodass Energie nicht zweimal dem Kreislauf hinzugefügt werden muss. Ein Prinzip, das wir auch bei Stoffkreisläufen finden, denn ein erheblicher Teil der Wirtschaft wird auf Recyclingstoffen aufgebaut. Auch hier beobachten wir, wie Verpackungsmaterial reduziert wird, sodass sich auch die Versorgungsinfrastruktur ändert. Auch das ist Resilienz: Ein besserer Umgang mit Ressourcen und Krisen.
René Ebert: Sie sprechen von Engpässen, sich ändernden Beschaffungsbedingungen und Optimierungspotential in Städten. Wie kann Digitalisierung angesichts dieser Situation mehr Versorgungssicherheit schaffen?
Frau Zubke: Ich denke, dass wir mehr Versorgungssicherheit schaffen können, wenn wir die vorhandenen Ressourcen bestmöglich nutzen. Verkehrsleitsysteme, Smart City und Smart Home sind einige bekannte Stichworte, die mir spontan einfallen. Auch privat benutzen wir ein Elektroauto und Solarzellen auf dem Dach. Wichtig ist die sukzessive Senkung des Energieverbrauchs. Schritte in diese Richtung sind auch Carsharing oder die digitale Akte. Letzteres trägt u. a. zu einer Reduzierung der Entsorgung bei. Wir sehen also, dass Digitalisierung ein wichtiger Faktor auf dem Weg zu mehr Versorgungssicherheit und geringerer Entsorgung ist.
Herr David: Die Wirtschaft wurde jahrelang mit dem Ansatz „Lean Production“ darauf getrimmt, die gesamte Lagerhaltung auf ein Minimum herunterzufahren und alles „just in time“ zu liefern. Doch uns allen wurde die Empfindlichkeit unserer gesamten Stoffstromketten vor Augen geführt: bereits ein liegengebliebenes Schiff im Suezkanal reichte aus, um komplette Lieferketten lahmzulegen. Ein weiteres Beispiel ist die deutsche Automobilindustrie, denn der Chip-Mangel führt bis heute dazu, dass Fahrzeuge nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können. Das alles sind Denkanstöße, die auch einen Einfluss auf die Diskussion haben, die wir mit den SIBB Mitgliedern führen wollen. Ich sehe beim SIBB ein großes Potential, denn gerade digitale Methoden vermögen Fertigungsprozesse und -ströme zu optimieren und können somit Versorgungsengpässe vermeiden.
René Ebert: Sie sprachen von der Pandemie und dem Russland-Ukraine-Krieg. Das sind Themen, die nicht nur Deutschland betreffen. Welche Rolle spielt Internationalisierung bei Netzversorgungsinfrastrukturen bzw. welchen Beitrag könnte eine internationale Zusammenarbeit leisten?
Herr David: Ein wesentlicher Vorteil von Internationalisierung ist, dass wir weltweit die besten Köpfe erreichen können. Expertise kann gebündelt und zur Errichtung einer resilienteren Infrastruktur genutzt werden. Mich freut es daher, dass der SIBB international so aktiv ist. Es werden nicht nur die alten Bande zu den USA gepflegt, sondern ebenso die Beziehung zu den baltischen Ländern und zur Ukraine. Auch zu Russland bestand eine starke Verbindung, die sich angesichts der aktuellen Situation geändert hat. Das zeigt eben auch, dass sich der Verein und die Mitglieder an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Das wollen wir in diesem Forum lernen: Der Umgang mit Veränderung muss zur Gewohnheit werden, weil wir nur dann Krisensituationen meistern können.
René Ebert: Welche nächsten Projekte planen Sie als Forensprecher*innen für die Mitglieder des SIBB?
Frau Zubke: Als besonders wichtig empfinde ich es, Synergien zu schaffen. Durch Querverbindungen zwischen den SIBB-Foren können wir Kräfte bündeln und bestehende Ressourcen wie z. B. Expert*Innen und technische Mittel besser nutzen. Darüber hinaus ist mir persönlich wichtig, beim Thema Prävention alles auszuschöpfen, um Fehler im Voraus zu verhindern, beispielsweise durch Mitarbeiter*innen, die unwissend handeln.
Herr David: Mir geht es darum, Impulse zu geben, beispielsweise für organisatorische Maßnahmen wie alternative Beschaffungsquellen oder auch für Cyber-Security-Themen. Ich nehme an, dass nicht alle SIBB-Mitglieder eine ausreichende Absicherung im Ernstfall haben, also wenn ihre digitale Infrastruktur angegriffen, gestört oder sogar zerstört wird. Das sind Schnittmengen, die wir mit anderen Foren haben, wie Frau Zubke bereits sagte. Beispielsweise ist Cyber-Security auch beim Forum für Informationssicherheit angesiedelt, sodass wir gemeinsam etwas gestalten können. Im SIBB und den Foren finden wir Expertise, ein weitgestreutes Netzwerk und reichlich Ideen. Wir können alle voneinander lernen, uns austauschen und resilienter durch die Krise gehen.
René Ebert: Ich danke Ihnen beiden sehr herzlich für das Gespräch und freue mich sehr auf die feierliche Eröffnung des Forums am 19. Januar, wobei wir unter anderem ja dann den Chef der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Senator Schwarz mit einem Impulsbeitrag begrüßen werden. Ebenso dabei sind u.a. Top Experten wie der Head of Green Solutions, der GASAG Group.
Ich bin fest überzeugt, mit der Schwerpunktsetzung dieses neuen SIBB-Forums gehen Ihnen auf absehbare Zeit bestimmt nicht die Themen aus, denn die digital ermöglichte Resilienz im Bereich von Energy; Networks und Utilities ist und bleibt ein Schlüsselfaktor beim Sicherstellen funktionierender Energie- und Stoffkreisläufen.